Prof. Dr. Stephan Geisler ist einer der führenden deutschen Experten auf dem Gebiet des Krafttrainings. Neben seiner Tätigkeit als Hochschuldozent, forscht der Sportwissenschaftler selbst und gibt sein Wissen als „Der Fitnessprofessor“ an die Allgemeinheit weiter. Im Interview mit Sebastian Finis spricht Geisler über neue und alt bekannte Studien, Methoden und Erkenntnisse und wie man das Optimum aus sich herausholen kann. Im vierten und letzten Teil des Interviews erklärt er den Hauptnutzen, den ein Durchschnittsbürger durch Krafttraining erzielt, gibt Einblick in sein persönliches Trainingsprogramm und empfiehlt ein paar gute Bücher zum Thema.
Wann hört ein Hypertrophietraining auf bzw. wann fängt ein Kraftausdauertraining an, was die Wiederholungszahl oder Belastungszeit betrifft?
Wenn man nach der Literatur geht, beginnt ein Kraftausdauertraining bei 15 bis 20 Wiederholungen und dann aufwärts. Was die Belastungszeit betrifft ab 60 bis 90 Sekunden und dann aufwärts. Ich denke aber man kann das sehr schwer unterscheiden, weil wir alle unterschiedlich auf solche Reize reagieren. Es gibt Leute die machen 20 Wiederholungen und haben trotzdem einen Muskelaufbau mit betrieben. So einfach wie es in der Literatur steht, ist es meistens nicht.
Wie viel Training ist gut, richtig und sinnvoll, was die Häufigkeit und den Umfang angeht?
Auch hier muss man erstens fragen: Was ist das Ziel? Und zweitens: Wer trainiert bzw. wie hoch ist die Trainingserfahrung? Für einen Anfänger ist es in Ordnung, wenn er zwei bis drei Mal pro Woche ein Ganzkörpertraining macht. Ein Fortgeschrittener, der drei, vier oder fünf Mal in der Woche trainieren geht, muss sein Training splitten, damit er mit der Regeneration klarkommt. Was die Dauer angeht, wenn wir über ein reines Krafttraining reden, eine halbe bis eine Stunde. Länger muss keiner trainieren.
Wie sieht dein persönliches Programm aus?
Anders als früher. Ich mache jetzt weniger die klassische Bodybuilding-Methode, indem ich jetzt beispielsweise montagabends zehn Sätze für die Brust mache. Sondern ich gehe mehr in den Bereich,
dass ich die Muskeln abwechsele, verschiedene Muskeln an einem Tag trainiere, teilweise den ganzen Körper. Zwischendurch bringe ich auch mal Ausdauertraining mit rein. Es geht da fast in den
Crossfit-Bereich über.
Wie stehst du eigentlich zu Dehnung und Krafttraining? Spielt das bei dir persönlich eine Rolle?
Ja auf jeden Fall! Bei mir persönlich spielt Dehnung eine wichtige Rolle. Ich merke es, wenn ich mich nicht oder selten dehne, kriege ich Schulterprobleme. Wir haben bei Vielen schon beobachtet, dass eine Unbeweglichkeit, die man sich im schlimmsten Fall selber antrainiert, durchaus zu Problemen führen kann. Ich denke, man sollte sich regelmäßig dehnen. Aber auch hier muss man wieder schauen, um wen es sich handelt. Wenn ich ohnehin sehr beweglich bin, muss ich mich nicht so oft dehnen. Aber wenn ich sehr unbeweglich bin oder durch mein Training unbeweglicher werde, dann würde ich Dehnen empfehlen.
Was ist für dich der Hauptnutzen, den ein Krafttraining für einen Durchschnittsbürger mit sich bringt?
Darüber könnte ich jetzt eine anderthalbstündige Vorlesung halten. Ich versuche es mal kurz zu machen. Erhöhte Kraft heißt verbesserte Alltags- und auch Sporttauglichkeit. Die Funktionalität wird verbessert. Ich komme besser durchs Leben oder durch den Sport. Eine vergrößerte Muskelmasse würde – abgesehen von den ästhetischen Effekten, dass Figurformung dadurch betrieben wird – auch noch bedeuten, dass mein Stoffwechsel besser funktioniert, dass ich mehr Energie, mehr Fett verbrenne. Außerdem, das ist für die Diabetiker interessant, kann ich durch Krafttraining mehr und besser Zuckerstoffwechsel betreiben. Da könnte ich jetzt noch stundenlang weitermachen, aber das sind die wichtigsten Faktoren.
Du hast schon ein Buch anklingen lassen: Welches Buch zum Thema Krafttraining würdest du empfehlen?
Das bereits genannte: „Einführung in das Krafttraining“ von Thorsten Schiffer und mir ist für Einsteiger und mäßig Fortgeschrittene sehr gut. Dann finde ich noch das Buch „Fitness-Krafttraining“ von Wend-Uwe Boeckh-Behrens und Wolfgang Buskies sehr schön – ein wenig umfangreicher, aber ein sehr gutes Werk. Wenn man mehr in Richtung Workout ohne Geräte geht, hat die Men’s Health ein sehr schönes Buch herausgebracht. Das ist von Oliver Bertram und heißt „Workout ohne Geräte“. Da sind tolle Ideen für Bodyweight-Exercizes drin. Wenn man eher die wissenschaftliche Seite betrachten will, würde ich das Buch „Krafttraining – Praxis und Wissenschaft“ von Vladimir Zatsiorsky und William Kraemer empfehlen. Allerdings ist das schon sehr tiefgreifend. Zu guter Letzt möchte ich allen Lesern dein neues Buch empfehlen. Da ist für jeden etwas drin – neue Übungsideen und Trainingsprogramme für Einsteiger und Fortgeschrittene. Zudem ist es gut erklärt und gut geschrieben.
Wo erfahren die Leute mehr über dich und wie können sie mit dir in Kontakt treten?
Mir über meine Homepage eine E-Mail zu schreiben, ist am Einfachsten: www.sportwissenschaft.net. Oder eben über meine Facebook-Präsenz oder Youtube unter „Der Fitnessprofessor“. Immer herzlich willkommen!
Fotos: privat
Eine super Übung, um Verspannungen im oberen Rücken zu lösen - im Video erklärt vom Fitnessprofessor!
Mehr Informationen zu Prof. Dr. Stephan Geisler und „Der Fitnessprofessor“ finden Sie unter:
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